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Wie wir wohl alle wissen, rangiert Deutschland, was die Digitalisierung angeht, im europäischen Vergleich nicht gerade auf den vordersten Plätzen. Das bekommt man auch im Sauerland zu spüren: Nicht nur die mobile Netzabdeckung sorgt immer wieder für den Impuls, sein Smartphone einfach von sich zu schmeißen, weil es ohnehin an manchen Orten nahezu unbrauchbar ist, auch mit dem WLAN sieht es an einigen Orten noch mager aus. Online-Meetings oder gar große Datenmengen aus beruflichen Gründen übers Internet zu übertragen, kann schon mal unangenehm und auch ziemlich ärgerlich sein.

Davon kann auch Benjamin neuerdings ein Lied singen. Geboren wurde er im Ruhrgebiet, zog aber mit sechs Jahren ins Sauerland, nach Meschede. Er ist also fast ein echter Sauerländer. Aber wie so viele, mit denen ich schon gesprochen habe, zog es ihn später wieder weg vom Land – damals wohl noch nicht wegen der schlechten Internetverbindung. Seitdem ist er ziemlich rumgekommen: Psychologie-Studium in Enschede in den Niederlanden, nach zwei Semestern abgebrochen, weil zu praxisfern, stattdessen Sozialwissenschaften, Kunst und Medien in Oldenburg. Nebenbei arbeitete er für verschiedene Radiosender, sein Traum war es jedoch immer, Dokumentationen zu drehen. Deswegen folgte eine Spezialisierung im Filmbereich. Es ging ein Semester nach Irland, dann nach Berlin und für den Master wieder zurück nach Oldenburg. Nach dem Studium führte ihn sein Weg nach Hamburg, nach einigen Bewerbungen bei Produktionsfirmen weiter nach Köln. Dort arbeitete er an großen Projekten mit, bis es ihn gemeinsam mit seiner Freundin, die bis dahin noch in Oldenburg gelebt hatte, zurück nach Hamburg zog. Auch hier arbeitete er für große Marken und machte sich schließlich selbstständig als Creative Producer.

Eigentlich war alles perfekt, doch im Pandemie-Sommer 2020 – Benjamin hatte inzwischen eine kleine Familie gegründet – lief er mit seinem Sohn durch die Parks, weil die Spielplätze gesperrt waren und als sein Sohn den fünften Zigarettenstummel aufgesammelt hatte, war er da, der Moment, in dem Benjamin dachte: Irgendwie ist das hier doch nicht das Richtige. Und da er immer noch regelmäßig ins Sauerland fuhr, um seinen Vater und seinen Bruder zu besuchen, war die Idee geboren, zurück aufs Land zu gehen. Pro und Contra wurde abgewogen. Die aktuelle Wohnung war ohnehin langsam zu klein, die Mieten in Hamburg jedoch die viert höchsten in Deutschland. Und wie der Zufall es so wollte, wurde in Meschede-Wallen ein Haus frei. Ausgerechnet in dem Ort, in dem auch Benjamins Bruder wohnte. Es passte sofort.

Und dann hieß es: Sachen packen und zurück ins Sauerland. Und jetzt testen sie seit bereits einem Jahr, ob es die richtige Entscheidung war. Benjamin fühlt sich wohl mit seiner kleinen Familie. Sie haben viele Freunde dort, auch viele Rückkehrer. Land und Leute machen es ihm leicht – privat.

Beruflich sieht es etwas anders aus. Da hat das Sauerland einige Hürden bereitgestellt:

Benjamin hat das Glück, relativ viel digital und damit ortsunabhängig arbeiten zu können. In den vielen Jahren in der Großstadt hatte er auch nie Probleme damit und sich deswegen auch gar keine Gedanken darüber gemacht, dass genau das ein Problem werden könnte. Doch im Sauerland kam er dann tatsächlich an seine Grenzen. Wenn jemand fünf Anläufe braucht, um Daten zu verschicken, weil die Übertragung ständig abbricht, Daten kaum runtergeladen bekommt und alles per Post hin- und hergeschickt werden muss, als würden wir immer noch im Jahre 1990 leben, wenn das Bild während des Zoom-Meetings ständig stockt, dann hinterlässt das beim Kunden keinen professionellen Eindruck. Eine gute Internetverbindung ist für viele Freiberufler Basis ihrer Arbeit. Und den ein oder anderen schreckt es vielleicht sogar ab, ins Sauerland zu kommen.

Und Benjamin steht vor einem weiteren Problem: Seine Aufträge kommen gerade noch hauptsächlich aus Hamburg oder Köln. Natürlich würde er aber auch gerne mehr im Sauerland arbeiten, damit er nicht so viel reisen und stattdessen Zeit in der Heimat mit der Familie verbringen kann. Über einen Freund erfuhr er von Heimvorteil HSK und bekam darüber den Kontakt zu einem Kameramann, der selbst vor einigen Jahren mit der Familie zurück ins Sauerland gekommen war. Inzwischen haben sie erste gemeinsame Projekte umgesetzt. Aber es ist schwer im Sauerland Fuß zu fassen, wenn man so lange weg war, dass man eher der Benjamin aus Hamburg und nicht mehr der Benjamin aus Meschede ist.

Und außerdem sehen viele Sauerländer noch nicht den Nutzen darin, Geld für digitale Kommunikation und Marketing auszugeben. Dabei gibt es so viele mittelständische Unternehmen, die es sich leisten könnten, denen es auch gut tun würde, die aber ausgerechnet an dieser Stelle immer auf die Bremse treten und sparen und sich lieber von ihrem Neffen ein Video mit dem Handy drehen lassen. Das findet Benjamin schade, da es so viele coole Marken und Produkte im Sauerland gibt. Und da wäre es doch auch toll, wenn diese Filmemacher und Fotografen aus der Region nutzten, um ihr Unternehmen voran zu treiben, statt damit Agenturen aus Hamburg oder München zu beauftragen – die zum einen vermutlich das doppelte an Geld nehmen und bei denen zum anderen einfach das persönliches Verhältnis fehlt.

Benjamin würde sich wünschen, dass eine Plattform geschaffen würde, mit der Dienstleister und Firmen aus der Region zusammenfinden können. Das würde es gerade eben auch denen leichter machen, die frisch wieder zurück ins Sauerland gekommen sind, die vielleicht noch kein großes Netzwerk im Sauerland, aber etwas Tolles anzubieten haben – so wie Benjamin.