Wenn ich in Köln gefragt werde, wo meine Heimat ist, dann sage ich meistens: Im Sauerland. Aber damit meine ich eigentlich nicht Arnsberg, den Ort, an dem ich bis zum Abitur gelebt habe, sondern Berlar. Seit fast 20 Jahren kenne ich das kleine Dorf oberhalb von Ramsbeck, in dem mehr Pferde und Kühe als Menschen leben. Seit fast 20 Jahren kenne ich auch Angela. Sie ist keine „echte“ Sauerländerin, zumindest nicht gebürtig. Aber mit den Jahren ist das Sauerland ihre Heimat und die ihrer Familie geworden. Noch einmal woanders zu wohnen, kann sie sich nicht vorstellen, denn hier hat sie alles, was sie braucht.
Der Grundstein dafür, dass es Angela schließlich nach Berlar verschlug, wurde schon in ihrer Kindheit gelegt. Der Grund war genau das, was auch mich in dieses winzige Dorf brachte: Pferde – genauer gesagt Islandpferde. Angelas Tante Elisabeth reiste als eine der ersten Islandpferdetrainerinnen durch Deutschland. Als schließlich deren Reiselust vergangen und ein Kundenstamm aus ganz Deutschland und auch darüber hinaus aufgebaut war, ließ sie sich an diesem schönen Fleckchen Erde im Hochsauerland nieder. Anfang der 80er Jahre war das, als sie den Hof am Fuße des Bastenberges übernahm. Angela verbrachte mit ihrer Schwester jede Ferien dort. Doch bis auch sie dort sesshaft werden sollte, dauerte es noch eine ganze Weile.
Nach der Schule begann Angela eine Lehre im Hotelfach im Bonner Raum. Die Zeit zum Reiten wurde knapper. Auch nach der Ausbildung war erst einmal wenig Zeit dafür. Arbeit stand an, um Geld für einige Monate Aufenthalt in den USA an die Seite zu schaffen. Nach der Rückkehr waren Pferde kurzzeitig wieder die Nummer eins. Angela machte ihren Trainerschein, bewarb sich dann aber doch bei verschiedenen Club-Anbietern und landete schließlich bei verschiedenen Robinson Clubs in den verschiedensten Ländern, zum Schluss in der Schweiz. Knapp zehn Jahre war sie im Ausland unterwegs – mit einem Jahr Pause: natürlich in Berlar! Kurz vor dieser kleinen Berlar-Etappe hatte sie ihren jetzigen Mann kennengelernt. Der war ebenfalls im Hotelfach tätig und nach einiger Zeit wurde geheiratet und eine Familie gegründet. Doch Eltern zu sein und in der Hotellerie angestellt zu arbeiten, ist nicht leicht, will man den Kindern gerecht werden. Und da kam der Anruf von Elisabeth mehr als gelegen. Diese fragte, ob sie nicht als Familie die zur Reitschule gehörige Pension – das IsOtel – übernehmen wollten. Die perfekte Lösung: Beide konnten arbeiten und hatten die Kinder um sich. Ende 1999 trudelte die kleine Familie in Berlar ein und der Start ins neue Jahrtausend war dann auch der Start in ein neues Kapitel für Angela. Aufregend war das, natürlich – das erste Mal selbstständig –, aber eben auch eine riesige Chance. Das Hotel bot eigentlich alles, was sie wollten – Arbeit und Familienleben. Gemeinsam mit einem tschechischen Au-pair war für die Kinder immer gesorgt. Und dann war da ja auch noch das Dorf. Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf, heißt es. Und genau so war es auch: Die Kinder konnten im Dorf spielen – irgendwer hatte immer ein Auge auf sie. Und außerdem war ja immer was los am Hof – vor allem in den Ferien, wenn es dort vor Kindern, die zur Reitfreizeit aus allen Teilen Deutschlands angereist sind, wimmelt. Und auch für Angela ist immer ein Gesprächspartner da – Stammgäste, alte Freunde oder neue Gäste, die zu Freunden werden. Langweilig wird es nie. Und wenn dann doch einmal ein wenig Kultur und Großstadtfeeling gebraucht wird, dann ist es ja nicht weit bis Dortmund, Paderborn oder Köln. Und als die Kinder größer wurden und auch sie mal über die Grenzen von Berlar hinaus wollten – oder wegen der Schule mussten –, war es immer kein Problem, dass jemand die beiden fuhr. Als sie alt genug waren, erleichterte ein kleines Mopedauto – wahlweise tut es auch ein Roller – ihr Leben und ließ auch die Kinder mobil sein.
Das typische Klischee, dass man als „Buiterling“, wie Neubürger im Sauerland genannt werden, keinen leichten Stand hat, kann Angela nicht bestätigen. Gerade in so einem kleinen und alten Dorf wie Berlar könnte man denken, dass die Menschen dort Neuankömmlingen skeptisch gegenüber stehen würden. Aber dem war nicht so. Leben und leben lassen, ist hier das Motto und wenn einmal Hilfe gebraucht wird, wird die nie verwehrt. Zugegeben: Die Reitschule und das Hotel haben schon ein bisschen einen Exotenstatus – hinzukommt, dass Reitschule und Hotel vor allem von Frauen geführt werden – etwas, was auf den ersten Blick nicht ganz in die doch eher noch immer patriarchalen Strukturen des Sauerlandes passen will. Da wird unter Männern doch auch schonmal ordentlich geklüngelt und die Frauen werden außen vor gelassen. Aber gerade für die jüngeren Menschen ist das kein Thema mehr.
Und so kam es, dass Angela – gemeinsam mit ihrem Mann – mit der Zeit immer mehr Aufgaben in der Reitschule übernahm, bis ihre Tante nach einem „Probejahr“ den Hof 2017 schließlich vollständig an sie übergab. Die Kinder stehen inzwischen auf eigenen Beinen, sind in der Ausbildung oder bereits damit fertig – und Angela hat nun Zeit, ihre Heimat weiter zu gestalten – gerade sind ein paar Hühner eingezogen, für frische Eier fürs Hotel.
Wenn Angela einmal weg ist, dann freut sie sich immer wieder, nach Hause zu kommen – nach Berlar, das kleine Dorf im Sauerland, das sie nun schon vor längerer Zeit zu ihrer Heimat gemacht hat. Berlar ist eine ganz eigene Welt. Mit einem tollen Team wurde dort ein ganz besonderer Ort geschaffen, der zeigt, dass das Sauerland viel Raum bietet, um sich zu entfalten, um Ideen und Träume zu verwirklichen – ganz egal, ob man dort geboren ist oder zugereist. Man muss die Chancen nur erkennen – und ergreifen.
Berlar – ein kleines Dorf im Sauerland – ist nicht nur die Heimat von Angela Hütter, sondern auch ein Islandpferde Zentrum in Deutschland. Mit einem tollen Team wurde dort ein ganz besonderer Ort geschaffen, der zeigt, dass das Sauerland viel Raum bietet, um sich zu entfalten, um Ideen und Träume zu verwirklichen – ganz egal, ob man dort geboren ist oder zugereist.