Das Wort Fachkräftemangel ist in aller Munde. Nicht nur im Sauerland, sondern in ganz Deutschland – vor allem eben in den ländlichen Regionen. Manche Berufsfelder, die es ohnehin schon nicht leicht haben, haben es dort noch einmal schwerer. Dabei bieten diese Regionen eine Menge an Potential – nur weiß es oft einfach keiner.
Zwei, die das wissen müssen sind Stefan und Eva aus Düdinghausen bei Medebach. Sie sind Physiotherapeuten – ein toller Beruf, aber auch ein unattraktiver, aus vielerlei Gründen. Das muss sich ändern.
Stefan hat von 2003 bis 2006 seine Ausbildung als Physiotherapeut in Bestwig gemacht. Danach nahm er eine Stelle in Köln an. 2011 ergab sich die Möglichkeit, eine Praxis in Medebach zu kaufen. Stefan nutzte die Chance und kam wieder zurück, um seinen Beruf nun als Selbstständiger in seiner Heimat auszuüben.
Sowohl Stefan als auch Eva sind Düdinghauser und kannten sich eigentlich schon immer. Gemeinsam waren sie im Musikverein und Stefan spielte Fußball. Wie das im Sauerland eben so ist. Dorfkinder durch und durch. Dass Stefan das Sauerland einmal verlassen sollte, damit hatte eigentlich niemand gerechnet. Am Ende waren es immerhin fünf Jahre. Einmal rauskommen, nicht dauernd unter Beobachtung stehen, wie das in einem kleinen Dorf so ist: Läuft man in Köln unter der Woche nach Feierabend entspannt mit einem Kioskbier in der Hand alleine durch die Gegend, ist das völlig normal – macht man das in einem Sauerländer Dorf … nun ja. Aber so eine Stadt ist eben auch sehr stressig. Viel Verkehr, alle sind in Eile. Gerade während der Pandemie haben beide noch einmal gemerkt, wie hoch die Lebensqualität im Sauerland ist. Denn das Sauerland hat doch einiges zu bieten, was viele Menschen aber leider erst gar nicht merken, weil sie nur „Sauerland“ hören und schon abwinken. Sie denken gar nicht daran, dass sie hier Haus und Garten haben könnten, nicht um einen Kindergartenplatz bangen müssen und ihre Kinder doch recht sorglos allein in den Wald oder auf den Spielplatz gehen lassen können – in der Stadt eher undenkbar.
Zutun haben die beiden im Sauerland genug. Der Terminplan ist schon Monate im Voraus voll – und die beiden haben gerne viel zu tun. Aber es fehlen Mitarbeiter an allen Ecken und Enden. Physiotherapie ist ein Beruf im Gesundheitswesen und wie so viele in diesem Bereich komplett unterschätzt und unterbezahlt – und das, obwohl die Ausbildung extrem teuer und langwierig ist. Inzwischen hat sich das etwas geändert, Optimierungsbedarf gibt es aber immer noch eine Menge.
Stefans Team will zeigen, dass sie mehr können und Physiotherapeuten keine Masseure, sondern ein wichtiger Faktor im Gesundheitsbereich sind. Die Praxis ist ein Therapiezentrum und ein Fortbildungszentrum, in dem neben den normalen Behandlungen auch Vorträge gehalten werden und Fortbildungen absolviert werden können. Die Praxis hat Kooperationsverträge mit verschiedenen physiotherapeutischen Schulen, sodass die angehenden Physiotherapeutinnen und -therapeuten praxisnah und interdisziplinär mit unterschiedlichen Fachbereichen ihr theoretisch vermitteltes Wissen einsetzen und vertiefen können.
Das Therapiezentrum Eickhoff besteht aus zwölf Therapeuten ganz unterschiedlicher Fachbereiche:
Physiotherapeuten, Osteopathen und Gesundheitsmanager arbeiten Hand in Hand mit unterschiedlichen Schwerpunkten und können so die Patienten ganzheitlich behandeln. Neu im Therapiezentrum ist auch das Gesundheitsmanagement für Firmen aus der Region, die Betreuung dient unter anderem dazu, Krankheitstage durch gezielt zu reduzieren und die Mitarbeitenden vor Folgeerkrankungen zu schützen. Unterstützt wird das Team dabei auch von Psychotherapeuten, Sportwissenschaftlern und Ernährungsberater. Um das Angebot abzurunden kommen noch EMS-Training und verschiedene Kurse, wie z.B. Beckenbodentraining, Yoga und Zirkeltraining hinzu. – Doch es sind noch viele Stellen offen, um den Bedarf im Sauerland komplett abdecken zu können.
Natürlich ist das nicht nur in Medebach so. Der Fachkräftemangel ist überall Thema. Eine Stelle als Physiotherapeut bekommt man überall. Wenn die beiden erzählen, dass sie eine eigene Praxis haben, dann bekommen sie von anderen befreundeten Physiotherapeuten zu hören, dass sie sofort bei ihnen anfangen würden – aber im Sauerland? Dann lieber doch nicht.
Dass niemand weiß, was für Chancen das Sauerland bietet, wollen die beiden ändern. Ein Wochenende der offenen Tür gemeinsam mit mehreren Dienstleistern aus der Umgebung soll zeigen, dass das Sauerland mehr als nur Schützenfest ist. Dass es dort durchaus auch moderne, junge Cafés und Restaurants gibt, überhaupt junge Menschen, die etwas bewegen wollen. Denn genau das ist doch der Knackpunkt: Würde es mehr junge Menschen geben, würde sich auch das Angebot im Sauerland ändern. Die Umgebung würde sich den Bedürfnissen der jungen Menschen anpassen. Aber irgendwer muss den ersten Schritt wagen.
Mehr Infos über das Team und ihre Arbeit:
https://tz-eickhoff.de/