Das Glockenturm-Syndrom​

Aufgewachsen ist Anna auf dem Seltersberg in Arnsberg. Wenn sie aus dem Kinderzimmerfenster schaute, sah sie dort nichts als Wald und im Winter war die Wiese zum Schlittenfahren direkt vor der Haustür. Anna wusste ihre Heimat, den Arnsberger Wald, die Ruhr und den Schlossberg mit der Ruine und dem Glockenturm schon in ihrer Kindheit und Jugend zu schätzen. „Hier gehen wir niemals weg“, sagten sie und eine Freundin sich, um es dann natürlich doch zu tun.

Denn irgendwann überfällt die meisten das Gefühl: Ich muss hier mal raus, da geht doch noch mehr. Nach der Ausbildung bei der Sparkasse ging es daher zum Studium nach Stuttgart: Betriebswirtschaft, Steuern und Finanzen standen hier auf dem Lehrplan des dualen Studiums, während sie in einer der größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Welt arbeitete. Doch das war auf Dauer nicht Annas Welt. Sie wechselte in eine Steuerkanzlei, in der sie sich wohler fühlte und sich zudem als Führungskraft entwickeln konnte. Gleichzeitig ging sie auch auf ihre ganz persönliche Reise. Sie kämpfte bereits seit der Kindheit mit chronischen Erkrankungen, mit denen sie sich nicht abfinden wollte. Im Sauerland war es damals noch schwierig ganzheitlich Gesundheitsangebote zu finden, aber in Stuttgart waren die Möglichkeiten größer: Hypnose, Heilpraktiker, Coachings. Anna probierte alles aus – und hatte Erfolg.

Ihr beruflicher Werdegang und das Lösen ihres persönlichen Leidensdrucks führten zu dem Gedanken, dass das, wofür sie das Sauerland verlassen hatte, gar nicht ihrer Berufung entsprochen hat. Viel lieber wollte sie auf andere Art und Weiße mit Menschen zusammenarbeiten. Sie fing an sich im Coaching-Bereich ausbilden zu lassen und führte ihre ersten Coaching-Sessions online durch.

Durch die Pandemie war eins klar: Dachgeschosswohnung in Stuttgart, kein Garten, keine Natur. Anna merkte, dass die Großstadt zwar viele Vorteile mit sich bringt, aber eine dreiviertel Stunde mit dem Bus irgendwohin zu fahren, um in der Natur abschalten zu können, das wollte sie einfach nicht mehr. So konnte sie den Arnsberger Glockenturm schon aus der Ferne rufen hören.

Gemeinsam mit ihrem Partner entschied sie sich für einen Richtungswechsel. Sie kündigte ihren Job in der Festanstellung und die Stuttgarter Wohnung, ging auf Weltreise, um dann im Sauerland ganz neu zu starten.

Seit einem Jahr hat Anna jetzt ihre Coaching-Praxis in Arnsberg und lebt wieder auf dem Seltersberg, mit der Natur direkt vor der Tür. Die Rückkehr hat sich für Anna gleich ganz normal angefühlt, denn Familie, Freudinnen und Freuden sowie die gewohnte Umgebung machten es ihr leicht.

Anna erinnert sich aber auch noch an die zweifelnden Stimmen aus ihrem Umfeld: Was will sie denn mit ihren beruflichen Themen im Sauerland? Emotionen und Unterbewusstsein? Hier sind die Leute doch gar nicht offen für so etwas. Anna ist gekommen, um genau das Gegenteil zu beweisen. Auf dem Land funktioniert mündliche Weiterempfehlungen besonders gut. Denn nachdem die Menschen einmal wussten, wer Anna ist und was sie macht, war die Resonanz sehr positiv und stetig steigend– denn auch die Sauerländerinnen und Sauerländer haben Emotionen und mit ihnen zu kämpfen, auch wenn sie das vielleicht nicht so offen zeigen.

Als Bewusstseinscoach begleitet Anna Menschen, die das Gefühl haben, in ihrem Leben nicht weiterzukommen, die unzufrieden sind, mit Selbstzweifeln, Ängsten oder emotionalen Blockaden kämpfen. Anna hat einen ganzen Koffer voll Werkzeuge, die dann zum Einsatz kommen können: Coaching, Hypnose, Körperarbeit, Tantra, EFT-Klopfen, Systemisches Aufstellen und Energiearbeit. Was konkret für welchen Menschen die richtige Herangehensweise ist, ist ganz individuell. Anna nimmt sich viel Zeit für jeden Einzelnen und hilft jedem, der den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Und das gilt nicht nur für Einzelpersonen. Anna ist überzeugt, dass auch in der zwischenmenschlichen Begegnung viel Potenzial liegt. Gemeinschaften gibt es im Sauerland – gerade in den kleineren Dörfern – viele, aber Anna wünscht sich, dass es auch mehr Raum für emotionale Themen und bewusste Begegnung gibt, gerade unter Frauen. Dafür veranstaltet sie Workshops und Gruppencoachings.

Anna merkt selbst, wie viel Kraft ihr die Natur um sie herumgibt. Für sie bedeutet das Sauerland Heimat, aber auch Freiheit, einfach rausgehen zu können, Ruhe zu haben und jede Ecke und jeden Winkel zu kennen. Sie wünscht sich, dass die Menschen vor Ort sehen, was sie hier Wunderschönes haben, anstatt nur das, was vermeintlich fehlt. Die Ruhr, die Seen, die Wälder – all das sind Orte, für die andere weite Reisen auf sich nehmen, um zur Ruhe zu kommen. Manchmal muss man sich eben einfach aufraffen, den eigenen Blickwinkel verändern und erkennen, dass das, wonach wir suchen, direkt vor unserer Nase liegt.