Für manche Menschen ist es einfach ein logischer Schritt, zurück aufs Land zu gehen, wenn sie darüber nachdenken, eine Familie zu gründen. Ein bekanntes Umfeld und Strukturen, die Familie in unmittelbarer Nähe, alte Freunde – Heimat eben. Bei Roman und seiner Familie war der Umzug zurück nach Schmallenberg mehr ein Aufbruch ins Abenteuer – mal schauen, was so geht im Sauerland. Die Grundstimmung war auf jeden Fall eines: optimistisch. Optimistisch, in der Heimat wieder ein Zuhause zu finden und vielleicht auch etwas in der Region anzupacken und zu bewegen. Ersteres hat recht schnell geklappt, letzteres musste irgendwann der Erkenntnis weichen, dass das im Sauerland gar nicht mal so einfach ist.
Aber von vorn: Zwölf Jahre ist es inzwischen her, dass Roman mit Sack und Pack zurückkam. Seitdem sind die Verbindungen zu den Menschen stärker geworden. Ein Freundeskreis hat sich entwickelt, aus lauter alten und neuen Freunden, bei denen Roman das Gefühl hat, mit ihnen Pferde stehlen zu können – auf die er sich verlassen kann, die ehrlich und selbstlos sind. Aber auch ansonsten hat er sich inzwischen ein Netzwerk aufgebaut, hat viele Betriebe und ganz unterschiedliche Menschen kennengelernt.
In der ersten Zeit nach dem Umzug war er durch seine Arbeit als Kameramann noch viel außerhalb des Sauerlands unterwegs. Ein bisschen macht er das immer noch, aber viel ergibt sich nun auch direkt vor Ort. Das Sauerland und seine Menschen hatten für ihn schon immer einen besonderen Stellenwert. Schon in der Schule, als Mitschüler:innen eine weitere Fremdsprache oder Informatik wählten, entschied er sich für Heimatkunde, eine Mischung aus Erdkunde und Geschichte. Bewusst war ihm das damals natürlich nicht, aber das Interesse an und eine Auseinandersetzung mit der Region war irgendwie immer da.
Früher schaute Roman manchmal ein wenig neidvoll auf seine Kolleg:innen, die etwa nach Südafrika flogen, um dort Werbespots zu drehen. Mittlerweile sieht er das jedoch anders. Es macht ihm Spaß, von der örtlichen Kultur und den Menschen, die hier arbeiten, zu berichten und ihre Geschichten zu erzählen. Hier lässt man ihm oft freie Hand und hat Vertrauen in seine Arbeit. Man kennt sich – und dann werden auch die Ergebnisse oft besser.
Roman kommt ursprünglich vom Spielfilm, vielleicht ist es ihm deswegen so wichtig, dass die Bilder nicht nur etwas abbilden, sondern etwas erzählen. Er interessiert sich ehrlich für die Menschen im Sauerland und ihre Mentalität. Manchmal ist es schwer, weil den Menschen ihre Geschichten auf den ersten Blick vielleicht nicht so groß erscheinen. Aber genau das ist eben auch eine Chance: Die großen Geschichten im Kleinen zu finden. Und solche Geschichten findet Roman überall im Sauerland. Die Kreativarbeit geht über den Schreibtisch hinaus. Ideenfindung passiert den ganzen Tag. Der Sauerländer Wald beim Spaziergang mit dem Hund ist eine Quelle der Inspiration, aber manchmal findet er die Lösung auch ganz banal beim Ausräumen der Spülmaschine.
Die Kreativ- und Medienszene im Sauerland ist klein. Deshalb ist Arbeit und Austausch außerhalb des Sauerlandes hin und wieder gut, um am Puls der Zeit zu bleiben.
So ist er regelmäßig auch für kleinere und größere Produktionen unterwegs. Drehte etwa den kürzlich erschienenen Film „Union – Die besten aller Tage“ über den 1 FC Union Berlin unter der Regie von Annekatrin Hendel, einer Filmschaffenden, die sich ebenfalls darauf konzentriert, Geschichten aus ihrer Heimat und den dort lebenden Menschen zu erzählen.
Doch Roman möchte nicht nur Geschichten aus dem Sauerland erzählen, sondern auch aktiv daran mitarbeiten, dass die Geschichten in der Region weiterhin positive sind. Deswegen zog es ihn für eine Weile in die Politik – zunächst noch guten Mutes und mit dem Gedanken „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt“ ganz nach Pippi Langstrumpf. Dass das im Sauerland jedoch so nicht funktioniert, wurde schnell deutlich. Die konservativen Widerstände waren und sind stark und der Wille, mal etwas anders zu machen, kein „Das-machen-wir-schon-immer-so“, ist nur an wenigen Stellen zu finden. Roman glaubt, dass die Vorgängergeneration viele Aspekte des gesellschaftlichen Zusammenlebens nicht auf das richtige Gleis in eine gute Richtung gestellt hat.
Menschen sind gut darin, Probleme zu lösen, aber nicht so gut darin, Probleme zu vermeiden, heißt es. Und klar, wenn es gerade gut läuft, dann hat man vielleicht auch keinen Blick für die Auswirkungen, die das für die Zukunft und die nachfolgenden Generationen haben wird. Schlagworte wie moderater Konsum, Nachhaltigkeit und regenerative Energien, all das wurde und wird hier noch immer gerne beiseitegeschoben. Und jetzt, wo die Krisen immer näher rücken oder schon auf der Türschwelle stehen – was machen die Menschen da? Sie gehen zurück zu Althergebrachtem und wählen erst recht konservativ – und es ändert sich: nichts. Dabei sind Veränderungen so bitter nötig – auch, wenn sie zunächst eine größere Kraftanstrengung erfordern. Natürlich werden auch hier und da gute Dinge angegangen, aber insgesamt fehlen vielen doch die Ideen, um die Region zukunftssicher aufzustellen, findet Roman. Noch läuft es gut im Sauerland, dank fleißigen Menschen in Wirtschaft und Tourismus, besser als in so manchen anderen ländlichen Regionen in Deutschland. Aber die Betonung liegt auf ‚noch‘.
Während es auf politischer Ebene schwer ist, etwas zu verändern, ist es bei kleineren Angelegenheiten jedoch oft ganz einfach. Roman hat gerade den Vorsitz des Theatervereins übernommen und eine neue Probenlocation musste her – zwei, drei Anrufe, zwei, drei Mails und nach einer Woche war eine Lösung gefunden.
Es geht also irgendwie – und Roman ist aktuell glücklich mit seiner Entscheidung, zurück in die Heimat gegangen zu sein. Er bekommt mit, dass Freunde, die in Berlin gelebt haben, sich inzwischen eine etwas ruhigere Lebenssituation vor den Toren der Stadt schaffen. Lebensgemeinschaften und Strukturen, die denen des Sauerlandes stark ähneln – dort aber als neue Idee verkauft werden. In dem Sinne ist das Landleben im Sauerland also irgendwie doch sehr modern. Doch damit es auch so schön bleibt, damit man hier nicht stehenbleibt und den Anschluss verpasst, dafür muss dann doch einiges getan werden. Daher ist Romans Appell an alle: Strengt euch an, liebe Sauerländer!