Der rote Faden
AUTORIN: sONJA nÜRNBERGER
Jonas ist kein gebürtiger Sauerländer, er ist im Münsterland, genauer in der Kleinstadt Ahlen, großgeworden. Doch viele seiner Erinnerungen aus seiner Kindheit und Jugend sind eng mit dem Sauerland verbunden: Besuche bei den Großeltern, Ski- oder Rodeltage in Winterberg, Klassenfahrten, regelmäßige Ferienlager in der Schützenhalle Siedlinghausen, Ausflüge ins Besucherbergwerk Ramsbeck, Orchesterfahrten an den Sorpesee oder einfach auf Durchreise mit dem RE über Warburg gen KS-Wilhelmshöhe – die Liste ist lang. Wie ein roter Faden zieht sich das Sauerland durch sein Leben.
Vor wenigen Wochen ist er nun nach Meschede gezogen. Der Grund: Die Zusage zum Medizin-Stipendium des HSK. Bewerben kann man sich dafür, wenn man die ersten vier Semester hinter sich gebracht und das erste Staatsexamen in der Tasche hat. Wird man angenommen, bekommt man monatlich vom Hochsauerlandkreis eine nette Finanzspritze. Die Voraussetzung: Als Gegenleistung muss der Stipendiat im Versorgungsgebiet des Hochsauerlandes für den Zeitraum der Förderung tätig werden – wann, das ist ihm selbst überlassen. Viele andere Stipendien richten sich häufig an Landärzte – dass Jonas‘ Interesse in diese Richtung geht, ist hier aber eher ein Zufall. Vorgaben gibt der Hochsauerlandkreis hier nämlich nicht. Es gibt Stipendien, die die Daumenschrauben deutlich enger anlegen, weiß Jonas. Für ihn war es eine Chance, selbstständig und freier zu sein und nicht auf Unterstützung aus dem Elternhaus angewiesen zu sein. Denn das Studium mit all seinen praktischen Anteilen, lässt kaum zu, nebenher noch Geld zu verdienen. Und so eröffnet das Stipendium die Möglichkeit, sich voll und ganz auf das Studium zu konzentrieren, was Jonas sehr zu schätzen weiß.
Der Grundstein für seine Leidenschaft für die Medizin wurde schon früh gelegt. Sein Vater ist Augenarzt und schon sein erstes Betriebspraktikum in der Schule führte Jonas ins Krankenhaus. Es ist die Arbeit mit den Menschen, die ihm Spaß macht, jeden Tag neu herausgefordert zu werden, zu recherchieren, sich auszutauschen und am Ende eine Diagnose stellen zu können und einem Patienten zu helfen. Zum Studium zog es ihn in südlichere Gefilde, ins fränkische Erlangen. Eineinhalb Jahre hat er inzwischen schon in einer Hausarztpraxis gearbeitet. Jetzt, im Sauerland, macht er seine Facharztweiterbildung im Krankenhaus in der Inneren Medizin. Dort ist er gut aufgenommen worden. Die Kolleginnen und Kollegen sind nett, man tauscht sich aus und er lernt viel dazu.
Auf lange Sicht kann er sich vorstellen, sich irgendwann als Hausarzt niederzulassen – vielleicht sogar im Sauerland. Denn gerade in ländlicheren Regionen ist das Hausarzt-Dasein ein ganz anderes. Während es in der Stadt oft nur darum geht, eine Überweisung zum Facharzt zu bekommen, ist der Hausarzt auf dem Land oft eine Vertrauensperson. Man kennt sich – wie das eben so ist im Sauerland.
Jonas hat die Erfahrung gemacht, dass er überall sehr herzlich aufgenommen wird – auf der Arbeit, in der Nachbarschaft und auch im Kreis der Stipendiaten des HSK. Beste Voraussetzungen, dass das Sauerland irgendwann seine Heimat werden könnte. Ein paar Lieblingsplätze hat er schließlich auch schon gefunden: die Eisdiele auf dem Rückweg von der Arbeit, das Mescheder Kino, die ruhigen und gemütlichen Plätze an der Ruhr oder die Natur um Meschede. Sicherlich werden in seiner Zeit während seiner Facharztausbildung noch ein paar mehr dazukommen.
Vielleicht zieht es Jonas nach seiner Facharztausbildung erst noch ein wenig raus in die große, weite Welt – Erfahrungen sammeln, lernen, um dann zurückzukehren und den roten Sauerland-Faden weiterzuspinnen.

Foto: privat
Über SOnja Nürnberger

Bild von Huan Yu
Geboren 1990 im Marienhospital in Arnsberg, aufgewachsen zwischen Ruhr, Spielplatz und Pius-Kirche, Kindergarten eine Straße von zu Hause entfernt, zur Grundschule einmal den Berg runter, zum Gymnasium den nächsten Berg wieder rauf. Kleinstadt-Feeling pur. Aber auch das echte Sauerländer Landleben kam nicht zu kurz: Berlar, ein idyllisches Dorf mit mehr Kühen und Pferden (letztere der Grund, wieso es mich dort hinzog) als Einwohnern wurde später – nach einer kurzen Sauerland-Auszeit – während und nach meinem Studium für einige Jahre mein Zuhause. Doch dann rief vor etwa zwei Jahren das komplette Kontrastprogramm: Köln.
Auf diesem Blog mache ich mir Gedanken darüber, wieso ich inzwischen auf dem Dach über meiner Wohnung im 5. Stock mit Blick auf den Dom (über dessen Schönheit man sich streiten kann) statt im Garten mit der sauerländischen Natur um mich herum meine Texte schreibe. Was müsste sich verändern, damit das Land wieder attraktiver für mich – und so viele andere – wird, was das Arbeiten, aber auch das Leben angeht? Vielleicht lassen sich aus der Ferne Probleme ein wenig objektiver betrachten und vielleicht entdecke ich Vorteile, die ich bisher nie wahrgenommen habe.
Ihr wollt mehr über Sonja Nürnberger erfahren, dann schaut doch mal auf ihrer Website vorbei.
aLLE bEITRÄGE:

Sauerländer Stars Hollow
Ein idyllischer, malerischer Ort, bekannt für seine skurrilen Bewohner, jährlich wiederkehrende Veranstaltungen, die von einem Mix aus Nostalgie, Tradition und exzentrischem Charme geprägt sind. Hier erleben Freunde und Nachbarn zahlreiche Abenteuer, Romanzen und Alltagsdramen. – Diese Sätze beschreiben eigentlich Stars Hollow, eine fiktive Kleinstadt aus der Serie Gilmore Girls. Diese Beschreibung trifft aber wohl auch

Aus den Bergen in die Berge
Für viele Menschen ist das Sauerland ein Urlaubsziel, die Sauerländer selbst zieht es im Urlaub oft ein ganzes Stück in den Süden: Nach Österreich, genauer: Tirol. Hohe Berge (also richtige Berge!) und tiefe Täler – im Winter Skifahren, im Sommer wandern oder Mountainbiken. Ein absoluter Traum für Naturliebhaber. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Petra

Glaube, Sitte, Heimat?
Dass im Sauerland die Uhren manchmal noch etwas langsamer ticken und an Strukturen lange gerüttelt werden muss, bis sich etwas ändert, das habe ich schon in vielen Gesprächen mit Rückkehrerinnen und Rückkehrer und Neubürgerinnen und Neubürger herausgehört – und kenne das auch aus eigener Erfahrung. Abschrecken davon, ins Sauerland zurückzugehen, sollte es trotzdem nicht. Im

Swing it, Sauerland!
Davina ist keine ganz neue Rückkehrerin, sondern schon lange wieder in der Heimat – und hat hier seitdem einiges auf die Beine gestellt. Geboren und aufgewachsen ist sie in Olsberg. Das Gefühl, unbedingt aus dem Sauerland wegzumüssen, einfach nur um weg zu kommen, hatte sie nicht. Es war etwas anderes, das sie ihre Koffer packen

Raus ins Grüne
Wenn ich meine Gesprächspartner für diesen Blog frage – sowohl die Rückkehrer als auch die Neuhergezogenen –, was sie besonders am Sauerland lieben, dann ist die Antwort oft dieselbe: Die Natur. Kein Wunder, denn davon hat das Sauerland eine Menge zu bieten und sie ist auch der Grund, wieso die Sauerländer so oft sagen: Wir

Landleben in Ost und West
Vom Sauerland hatte Susi vorher noch nie gehört, als sie die Stellenausschreibung fand. Leben auf dem Land war für sie hingegen nichts Neues. Denn geboren wurde sie 1993 in Brandenburg zwischen Spreewald und Berlin auf dem platten Land. Dort verbrachte sie ihre Kindheit und Jugend, behütet in gemütlicher Dorfatmosphäre mit gerade mal um die 150

Auf’n Kaffee
Dirk ist ein echtes Stadtkind – naja, so sehr, wie man im Sauerland eben Stadtkind sein kann. Im Herzen von Schmallenberg aufgewachsen, hatte er eine tolle Kindheit – mit Spielstraße, richtig viel Platz, jede Menge Freiheiten und irgendwo war immer etwas los. Nach der Ausbildung ging es zum Fachabi nach Soest. Es war die erste

Dritte Orte schaffen
Kunst und kreativ sein? Das ist vielleicht nicht das erste, was mir einfällt, wenn ich ans Sauerland denke. Dass es dort aber durchaus viele Menschen gibt, die Lust auf Kunst und Kunstschaffen haben, das habe ich gemerkt, als ich mich mit Anne und Sandra unterhalten habe. Die zwei brennen für die Kunst und haben gemeinsam

Nicht eine Sekunde
40 Jahre ist es her, dass Maria im Sauerland das Licht der Welt erblickte. Kindergarten, Grundschule, weiterführende Schule in Meschede. Es war eine Kindheit und Jugend wie sie viele im Sauerland erleben. Doch wie bei so vielen wuchs auch bei Maria der Wunsch, das Sauerland zu verlassen. Das leise Gefühl wurde nach dem Abitur beinahe

Ruhe, bitte!
Berlin, das e gegen ein o austauschen und die Buchstaben ein wenig mischen, schon heißt es Brilon. Bis auf die gemeinsamen Buchstaben haben diese beiden Städte aber nicht viel gemeinsam. Und das ist auch gut so – zumindest teilweise. Das weiß Sebastian nur zu gut. Groß geworden im 385- Seelendorf Meschede-Heinrichstal, ging es für ihn

Wurzeln schlagen
Unsere Welt wird immer vernetzter, reisen ist leicht – außerhalb einer Pandemie – und mit dem richtigen Pass kannst du mal hier und mal dort wohnen. Aber fehlt nicht etwas, wenn man niemals Zeit hat, Wurzeln zu schlagen? Wenn es keinen Ort gibt, den man Heimat nennen kann, einen Ort, der ein sicherer Rückzugsort sein

Die Land(zahn)ärztin
Nicht nur das Leben auf dem Land ist anders als in der Stadt. Auch das Arbeiten ist es. Das weiß auch Julia. Und dabei geht es nicht, um einen Job in der Landwirtschaft oder in einem Industrieunternehmen, sondern um einen, der in der Stadt genauso gefragt ist, wie auf dem Land. Und trotzdem ist es

Fachkräftemangel everywhere
Das Wort Fachkräftemangel ist in aller Munde. Nicht nur im Sauerland, sondern in ganz Deutschland – vor allem eben in den ländlichen Regionen. Manche Berufsfelder, die es ohnehin schon nicht leicht haben, haben es dort noch einmal schwerer. Dabei bieten diese Regionen eine Menge an Potential – nur weiß es oft einfach keiner. Zwei, die

Wie ein Fleckchen Erde Heimat wird
Wenn ich in Köln gefragt werde, wo meine Heimat ist, dann sage ich meistens: Im Sauerland. Aber damit meine ich eigentlich nicht Arnsberg, den Ort, an dem ich bis zum Abitur gelebt habe, sondern Berlar. Seit fast 20 Jahren kenne ich das kleine Dorf oberhalb von Ramsbeck, in dem mehr Pferde und Kühe als Menschen