Swing it, Sauerland!

Davina ist keine ganz neue Rückkehrerin, sondern schon lange wieder in der Heimat – und hat hier seitdem einiges auf die Beine gestellt. Geboren und aufgewachsen ist sie in Olsberg. Das Gefühl, unbedingt aus dem Sauerland wegzumüssen, einfach nur um weg zu kommen, hatte sie nicht. Es war etwas anderes, das sie ihre Koffer packen ließ: Das Tanzen. Wo sie dafür hingehen musste, war ihr völlig egal. Und so landete sie in Amsterdam an Tanzakademie der Kunsthochschule – nicht der schlechteste Ort. Von Olsberg nach Amsterdam klingt zwar vielleicht erst einmal nach einer riesigen Umstellung, aber da Davina ja nun das machen konnte, was sie sich immer gewünscht hatte, mit dem sie auch sehr vertraut war, und sich so in das Tanz-Studium reinhängte, ging das schnell. Sogar die neue Sprache lernte sie quasi im Vorbeifliegen, weil sie fast nur niederländische Kommilitoninnen hatte. Am Ende ihrer Zeit in Amsterdam pendelte sie als Tanzpädagogin von Tanzstudio zu Tanzstudio in den Niederlanden und in Deutschland. Eines davon war die Tanzetage in Meschede. Die kannte sie schon aus ihrer Jugend, als sie als Schülerin selbst dort getanzt hatte. Und bei genau diesen Arbeitseinsätzen im Sauerland lernte sie dann auch ihren jetzigen Mann kennen – und damit den Grund, wieso sie wieder zurück ins Sauerland gehen sollte.

Doch es gab ein Problem – wo sollte sie hier arbeiten? Die Möglichkeiten im Sauerland, etwas mit Tanz zu machen, waren eher begrenzt. Beruflich hätte sie es in den Ballungsräumen deutlich einfacher. Denn es ist wohl kein Geheimnis, das der Sauerländer im Allgemeinen nicht zu den ersten gehört, den die Tanzwut bei jeder Gelegenheit packt. Das hinderte Davina jedoch nicht daran, einen mutigen Schritt zu gehen und zwar den in die Selbstständigkeit mit einer eigenen Tanzwerkstatt, einem Studio für Bühnentanz. Zur Sicherheit pendelte sie am Anfang noch zu verschiedenen Jobs in anderen Tanzstudios und bot erst einmal nur an einem Tag in der Woche einige Tanzstunden an – für Kinder und für Erwachsene. Dass hier die Nachfrage nicht direkt explodieren würde, war ihr natürlich klar und so konzentrierte sie sich darauf, ihre Tanzwerkstatt langsam, aber kontinuierlich aufzubauen.

Fünf Jahre vergingen und Davina und ihr Mann bauten ein Haus – inklusive eines eigenen Studios. Die Tanzwerkstatt hatte sich etabliert und die Woche ist seitdem gut gefüllt mit Kursen, die von Jung und Alt besucht werden. Das besondere Steckenpferd von Davina sind die Jazztänze der Swingära, allen voran der Lindy Hop – ein Swing-Paartanz zu Big Band Musik aus den 30er und 40er Jahren, der richtig viel Freiraum lässt und der in den Großstädten schon längst super beliebt ist – wieso also sollte das nicht auch im Sauerland funktionieren? Viele Rückkehrer und „Neu-Sauerländer“ staunen, dass es hier so ein Angebot neben der sauerländischen Comfort Zone aus Schützenverein, Feuerwehr und Fußball überhaupt gibt.

Für Davina ist Tanzen Lebensfreude, Ausdruck und  Kommunikation. Ihren Tanzkindern erklärt sie das etwa so: „Tanz ist wie eine Sprache, die man lernt. Je mehr Wörter, oder in diesem Fall Bewegungen, ihr kennt, desto besser könnt ihr euch damit ausdrücken.“ Ist das nicht eigentlich dann die perfekte Lösung für den manchmal wortkargen Sauerländer?

Aber anderseits mag Davina auch genau das am Sauerland und seinen Menschen: Eine gewisse Bodenständigkeit, die ein Gegengewicht bildet zu ihrem eher unkonventionellen Beruf mit seinem manchmal etwas abgehobenen Umfeld und ihrer Kreativität. Es ist eben wichtig, dass es vielfältige Typen Mensch im Sauerland gibt und sich Kreative auch mit Projekten hier her trauen, die man vielleicht nicht auf den ersten Blick hier vermuten würde. Und Raum dafür gibt es, da ist Davina sich sicher. Und: Je mehr Leute sich so etwas trauen, desto mehr werden eventuelle Berührungsängste verschwinden und das Sauerland auch in der Breite immer offener werden.

Die Kunst besteht vielleicht darin, die Menschen mit Vertrautem abzuholen und trotzdem ihren Blick für Neues zu öffnen, notfalls mit Bier und Bratwurst. Denn sie will auf keinen Fall, dass sich da nur eine kreative Elite trifft, sondern dass Orte geschaffen werden, an denen alle zusammenkommen. Und genau dafür hat Davina noch etwas geplant:

In diesem Jahr ist es schon 20 Jahre her, dass sie ihre Tanzwerkstatt im Sauerland eröffnet hat und noch immer ist das Tanzen ihre absolute Leidenschaft. Aber sie hat auch noch etwas anderes für sich entdeckt: Den Poetry Slam und Comedy. Bei ihren Auftritten außerhalb des Sauerlandes kam sie auf die Idee, die Tanzwerkstatt zu einem kreativen Ort zu machen, wo sich nicht nur Tänzerinnen und Tänzer ausleben und präsentieren können, sondern auch Musik und Text stattfinden kann. Auf einer offenen Bühne soll sich jeder vor einem kleinen Publikum ausprobieren können. Im Januar soll es losgehen. Sicherlich ein richtiger und wichtiger Schritt, dem Sauerland noch ein wenig mehr Leben einzuhauchen.