Ein idyllischer, malerischer Ort, bekannt für seine skurrilen Bewohner, jährlich wiederkehrende Veranstaltungen, die von einem Mix aus Nostalgie, Tradition und exzentrischem Charme geprägt sind. Hier erleben Freunde und Nachbarn zahlreiche Abenteuer, Romanzen und Alltagsdramen. – Diese Sätze beschreiben eigentlich Stars Hollow, eine fiktive Kleinstadt aus der Serie Gilmore Girls. Diese Beschreibung trifft aber wohl auch auf viele der zauberhaften Kleinstädte und Ortschaften im Sauerland zu. Brilon ist einer dieser Stars Hollow-Orte. Das findet auch Naima Schopper.
Aufgewachsen ist sie in einer ganz anderen Ecke des Sauerlandes, in der Nähe von Lüdenscheid, genauer gesagt am Rande von Kierspe in einem Haus direkt an der Hauptstraße Richtung Volmetal. Dort gab es viel Wald und einen kleinen Fluss. Sie erinnert sich, dass sie mit ihrer Schwester und ihren Freundinnen dort draußen gespielt hat, verbotenerweise an einem Tau über den Fluss geschwungen und nicht selten hineingefallen ist. Eine echte Sauerland-Bilderbuch-Kindheit eben. Als Jugendliche wurde der Radius vergrößert – mit dem Bus, was nicht immer ganz einfach war, weil jede ihrer Freundinnen an einer anderen Haltestelle einsteigen musste und wenn dann eine den Bus verpasste, musste man eine Stunde auf den nächsten beziehungsweise am Zielort auf die verlorene Freundin warten. Auch das gehört wohl zum Aufwachsen im Sauerland dazu. Alles dauert etwas länger, weil die Distanzen größer sind und das Angebot vor Ort damals wie heute eben nicht das einer Großstadt ist.
Die lernte Naima erst richtig kennen, als sie beschloss, nach dem Abi Journalismus zu studieren. Auch wenn sie bereit gewesen wäre, ein wenig mehr Strecke zwischen sich und das Sauerland zu bringen, wurde es dann Dortmund. In einer würdigen Studentenbude mitten in der Stadt begann für sie ein neuer Lebensabschnitt. Über verschiedene Stationen verschlug es sie schließlich tiefer ins Sauerland, nach Brilon. Zunächst der Arbeit, dann der Liebe wegen. Heute ist sie in Brilon zuhause – mit Mann und Sohn im eigenen Haus.
Geplant war das nicht von Anfang an. Sie und ihr jetziger Mann hatten schon überlegt, nach ein paar Jahren nochmal einen anderen Ort kennenzulernen, vielleicht zurück in die Großstadt zu gehen. Aber ein Kind verändert doch alles. Zu Beginn ihrer Zeit in Brilon hatte Naima wenig Anschluss im Ort, was sie aber auch nie gestört hatte. Sie hatte ihren Mann und am Wochenende besuchten sie Freunde, die an anderen Orten lebten. Durch den Geburtsvorbereitungskurs lernte sie neue Menschen kennen, erste Verbindungen entstanden. Es war wohl der erste große Schritt, um in Brilon richtig anzukommen und Wurzeln zu schlagen.
Und eigentlich mochte Naima Brilon immer. Sie sieht großes Potential dort. Es ist charmant mit seinem Kleinstadt-Feeling, mit den doch manchmal für Außenstehende kurios anmutenden, aber doch so schönen Volksfesten. Ein bisschen wie Stars Hollow eben. Doch Anschluss zu finden ist nicht leicht und aber doch auf Dauer so wichtig, um sich zuhause zu fühlen. Dass das so ist, spürt Naima auch heute noch – und irgendwo versteht sie es auch. Man muss aktiv auf die Menschen im Sauerland zugehen, denn die meisten leben schon lange dort, haben ihren Freundeskreis, ihre Familie und Kinder – und eben auch nur begrenzt Zeit, noch mehr Freundschaften zu pflegen oder überhaupt erst einmal entstehen zu lassen. Sie würde sich mehr Begegnungsorte wünschen, eine Kneipe mehr, ein Café mehr, Veranstaltungen, die regelmäßig stattfinden.
Gerade aus ihrer Perspektive als junge Mutter würde sie sich da noch mehr Angebote wünschen. Naima hat das Gefühl, dass es generell schwer zu sein scheint, sich unter Frauen im Sauerland zu vernetzen. Da sieht sie aber natürlich auch sich und andere junge Menschen in der Pflicht. Denn wenn keiner aktiv wird, dann ändert sich eben nichts. Aber sie weiß auch, dass die Hürden nicht klein sind und wenn jemand es versucht, nicht unbedingt offene Türen einrennt. Dabei wäre es so schön, wenn das Sauerland auch für Nicht-Sauerländer attraktiver wird. Damit Menschen herkommen, die ganz neue Ideen mitbringen, die man dann gemeinsam umsetzen kann. Damit das Sauerland auch für andere Menschen Heimat werden kann. Schlussendlich geht es um den Mut, aufeinander zuzugehen und gleichzeitig offen zu bleiben für Neues – und da können die Sauerländer noch dazulernen.
Für Naima ist Brilon inzwischen Heimat, abgesehen von ihrem Elternhaus mehr als jeder andere Ort, an dem sie jemals gewohnt hat. Sie kann sich gerade nicht mehr vorstellen, woanders zu leben. Sie liebt die Ruhe und die Natur, die Menschen, die sie jeden Tag trifft, dass sie hier nicht so anonym ist, wie in der Stadt. Es ist das Liebevolle, dass man hier aufeinander achtet und füreinander da ist. Ja, Brilon hat Naima gekriegt, langsam, aber es hat sie gekriegt.