Sandra ist ein echter Buiterling. Geboren in Ulm von Eltern, die aus Hannover kommen, wuchs sie hauptsächlich in Luxemburg auf, mit kleinen Abstechern mal auf die französische Seite der Grenze, mal auf die deutsche. Ihr Abitur machte Sandra in Rheinland-Pfalz, danach ging es zum Studium nach Bochum. Dort lernte sie einen Freund kennen, der sie auf eine Party ins Sauerland einlud, wo sie auf ihren heutigen Mann traf, der ebenfalls im Ruhrgebiet studierte. Statt nach dem Studium ins Sauerland zu gehen, zog es die beiden 2010 jedoch erstmal in die Hauptstadt. In Berlin arbeiteten die beiden in der Start-up-Szene.
Für ihren Mann war immer klar, dass es eine Option ist, ins Sauerland zurückzugehen und dort in das Fensterbau-Unternehmen seiner Familie einzusteigen. Irgendwann wurde aus der Option ein Wunsch und auch Sandra konnte es sich gut vorstellen – ins Sauerland zu gehen, aber auch dort im Familienunternehmen zu arbeiten. Eine Bedingung gab es jedoch: Es musste auf jeden Fall der Heimatort ihres Mannes sein: Sundern-Hagen, auch Kuhschiss-Hagen genannt.
Zu dem Zeitpunkt war ihre Tochter schon da und der inzwischen mittlere Sohn auf dem Weg. Ein Thema, das für Sandra durchaus eine Rolle spielte. Natürlich hatte sie in Berlin zwar einen Freundeskreis, aber die Familie drumherum fehlte. Beruf und Kinder unter einen Hut zu bringen, ohne Unterstützung der Familie, ist nicht immer leicht, mit zwei Kindern nochmal viel schwieriger. Im Sauerland warteten die Großeltern, die Schwägerin mit Kindern in ähnlichem Alter und auch Sandras Mutter, die in Bochum lebt, war nicht weit weg. Eine gute berufliche Perspektive, die Familie in unmittelbarer Nähe, ein hübsches Dorf – das fühlte sich richtig an.
Und so war das Ankommen auch nicht schwer. Sandra und ihr Mann kennen sich inzwischen seit 16 Jahren und jedes Jahr waren sie auf Schützenfest und zu diversen Familienfeiern im Sauerland. So kannte Sandra schon viele Leute und auch das Dorf und wusste, worauf sie sich einlässt. Sie mag die Dorfgemeinschaft in Hagen, dass die Menschen hier miteinander reden, versuchen Dinge auf die Beine zu stellen und auch die jüngeren Menschen nicht vergessen werden. Sandra hat das Gefühl, hier bewegt sich etwas. Und sie trägt selbst einen Teil dazu bei: Sie ist im Sunderner Stadtrat Sachkundige Bürgerin im Ausschuss für Wirtschaft, Soziales und Kultur, mittlerweile seit zweieinhalb Jahren Kreisvorsitzende der Grünen im Hochsauerlandkreis und setzt sich auch ansonsten ehrenamtlich ein, wo es geht. Eines ihrer liebsten Projekte war der Dorfladen, der kurzzeitig geschlossen wurde, durch den Einsatz der Dorfgemeinschaft aber wiedereröffnet werden konnte und nun seit Jahren läuft. Und: Solche Dinge verbinden und machen das Ankommen in einem Ort viel leichter.
Vor allem wollte Sandra aber nach Hagen, weil ihre Kinder hier ganz andere Möglichkeiten haben. Sie liebt Berlin und hätte sie keine Kinder, wäre sie vielleicht auch noch dort. Aber die Freiheiten, die ihre Kinder hier genießen können, die hätten sie dort nicht. Ihr jüngster Sohn ist vier Jahre alt und kann sich in einem bestimmten Radius alleine draußen bewegen. Die Kinder können mit dem Fahrrad losfahren und wissen, wenn die Glocken um sechs Uhr läuten, ist es Zeit, nach Hause zu radeln. Cousins und Cousinen, Freunde, die sie im Kindergarten gefunden haben, kommen mit ihnen gemeinsam in die Grundschule und auf die weiterführende Schule. Es ist viel einfacher, Freundschaften zu pflegen. In Berlin ziehen Familien häufig um, manchmal nur an den Stadtrand, aber auch dann ist es nicht leicht, den Kontakt aufrecht zu halten.
Sandra mag das Dorfleben und liebt Berlin trotzdem. Das schließt sich nicht aus. Sie weiß das kulinarische und kulturelle Angebot einer Großstadt zu schätzen und freut sich jedes Mal, wenn sie dort ist. Auch die Vielfalt der Menschen, die Sprachen, die überall gesprochen werden, die unterschiedlichen Erfahrungshorizonte von Menschen aus ganz Europa und darüber hinaus, ist etwas, was es in der Form auf dem Land nicht gibt. Das erwartet Sandra von einem Dorf wie Hagen aber auch gar nicht. Für Sandra ist das Sauerland inzwischen ihr Zuhause geworden und das soll es auch bleiben.