Als Architektin die Heimat gestalten

Als Janine etwa fünf Jahre alt war, zog sie mit ihren Eltern, die zuvor im Ruhrgebiet studiert und gearbeitet hatten, zunächst nach Meschede und kurz drauf ins frisch gebaute Einfamilienhaus nach Eversberg. Dort ging sie in die Grundschule, später auf das Städtische Gymnasium in Meschede, wo sie 2004 ihr Abitur machte. Schon früh war ihr klar, was sie werden wollte: Architektin. Als Kind hatte sie leidenschaftlich Baumhäuser gebaut, mehrgeschossig und mit kleiner Feuerstelle. Auch Baumärkte waren für Janine immer interessanter als alle anderen Geschäfte und so wurde das Berufspraktikum natürlich bei einem Architekten absolviert. Zum Studium ging es an die TU Dortmund – nicht weit weg von zuhause, denn Janine war schon immer sehr heimatverbunden. Architektur und Städtebau stand dort von 2004 bis 2010 auf dem Plan, aber schon nach dem Grundstudium zog sie aus ihrem kleinen Studierendenappartement aus und zog zurück in die Heimat – denn sie hatte eines bemerkt: Architektur ist ein kreativer Beruf und um kreativ zu sein, musste sie aus dem Fenster auf die hügelige Landschaft des Sauerlands mit seinen Wäldern und Wiesen schauen können. Außerdem war Janine schon immer sehr aktiv im Burgtheaterverein in Eversberg gewesen, der für sie wie eine zweite Familie war. Eine echte „Heimatstubenhockerin“ nennt sich die 40-Jährige selbst.

Nach dem Diplom 2010 arbeitete sie in einem Architekturbüro in Dortmund, wo sie auch schon während des Studiums tätig war. Das Unternehmen war eher auf Vergabeverfahrensmanagement im Bauwesen spezialisiert, statt auf die klassischen Architekturleistungen. Janine wollte aber entwerfen und bauleiten, das war es, wofür sie studiert hatte. Daher ging es für sie 2012 in ein mittelständisches Architekturbüro nach Werl – für ganze zehn Jahre. Dank der Unterstützung ihres Chefs und ihrer Kolleg:innen wurde sie schnell zu einer Allrounderin: Sie begleitete von nun an Bauherren vom Erstgespräch bis zum fertigen Gebäude. Gerade in dieser Zeit, von 2012 bis 2022, boomte die Baubranche und sie plante und realisierte Ein- und Mehrfamilienhäuser, Industrie- und Gewerbebauten sowie Bildungseinrichtungen. So kamen insgesamt über 60 Bauprojekte zusammen, die Janine in ihrer Angestelltenzeit umgesetzt hat.

Auf Anregung ihres damaligen Chefs startete Janine 2021 den Baupodcast Kittybob Bauinfotainment. Ihr Spitzname Kittybob ist ein Wortspiel aus „Bob der Baumeister“ und „Hello Kitty“ und entstand, als sie zum Berufsstart einen pinkfarbenen Bauhelm geschenkt bekam. Und der Fachpodcast schlug ein wie eine Bombe. Informativ und unterhaltsam aufbereitet, gibt sie Bauherren und Architekturkolleg:innen als „Baufluencerin“ Tipps rund ums Thema Planen und Bauen und begrüßt spannende Gäste aus der Baubranche. Eine renommierte Agentur für Bau- und Architekturkommunikation wurde auf sie aufmerksam und schließlich beschloss Janine, ihre langjährige Fachexpertise aus der Praxis in die PR und Pressearbeit einzubringen. Der Eversbergerin gefiel es gut, allerdings war die Agentur in Essen und trotz der häufigen Möglichkeit zum Homeoffice doch eine recht anstrengende Fahrerei. Und vor allem merkte Janine, dass sie doch tief im Herzen das Baumädchen ist, das sie schon als Kind gewesen war und es sie zurück zur klassischen Architektur zog. Es gab viele Möglichkeiten, wieder als angestellte Architektin zu arbeiten, aber Janine fragte sich, ob das noch das Richtige für sie war.  Janine ist gut vernetzt und auch mit vielen Handwerker:innen befreundet, die ihr nicht zum ersten Mal sagten: „Mach dich endlich selbstständig. Wir brauchen dich hier vor Ort!“ Die Architektin hatte nun viele Jahre Praxis-, Menschen- und Lebenserfahrung gesammelt und durch den Podcast auch eine bundesweite Sichtbarkeit in der Baubranche erlangt. Nach Gesprächen mit Ehemann Christoph, Familie und Freunden stand fest: die Selbstständigkeit ist der richtige Weg. Kohnen Architektur geht ab September 2024 an den Start, um frischen Wind in die verstaubte Baubranche zu bringen.

Und sie schaut positiv in die Zukunft: Die Kosten und Finanzierungen für Neubauten sind zwar im Moment für viele zu teuer. Dafür gibt es aber genug Bestandsgebäude und historische Gebäude im Sauerland, in denen Janine in ihrer Heimat unheimlich viel Potential sieht: Themen wie Mehrgenerationenwohnen, individuelle Nutzungskonzepte, Gebäude klimaresilient sanieren – aber auch traditionelle Bauweisen und Materialien ein wenig in die Zukunft transformieren, sodass der Sauerländer Charme erhalten bleibt. Und dementsprechend trudeln auch schon Anfragen ein. Es sind oft Menschen, die sich auf das Sauerland zurückbesinnen und als Heimkehrer:innen wiederkommen. Die möchten gerne auf die Hofanlagen oder in die größeren Häuser der Eltern einziehen. Da kommt dann Janine mit ihrer Kreativität und ihrem technischen Fachwissen ins Spiel. Der Fokus von Kohnen Architektur liegt daher auf dem Bauen im Bestand und der Denkmalpflege sowie auf der Gestaltung zukunftssicherer und neuer Lebensräume in einer wunderschönen Landschaft.

In einer Zeit, in der die Menschen immer schlechter zur Ruhe kommen, immer überlastet sind, ist das Sauerland genau der richtige Ort für Ruhesuchende – und auch für Janine. Sauerländer:innen sind einfach nicht der Typ für das Schnelllebige. Und Janine findet: Das Sauerland hat einen ganz eigenen Zauber und erlaubt es, sich frei zu entfalten. Für die Eversbergerin bedeutet das Sauerland Heimat und Zukunft. Hier möchte sie alt werden, und durch ihre Architekturleistung einen Beitrag dazu leisten, dass auch andere Menschen das können.