Schon ganz in Ordnung

AUTORIN: sONJA nÜRNBERGER

Es gibt Menschen, die haben einfach Lust, anzupacken. Einer von ihnen ist Carsten. Er ist zwar gebürtiger Krefelder, inzwischen aber – auch wenn er das natürlich niemals geplant hatte – im Sauerland angekommen.

Zuvor ging es aber noch nach Nürnberg – für zehn Jahre. Dort lockte neben der Liebe, ein toller Job und coole Möglichkeiten für sein Hobby: Innerhalb eines Veranstaltungskollektivs organisierte er Partys und Konzerte. Doch dann kam Corona und damit die Kurzarbeit und was mit Veranstaltungen passierte … vergessen wir das lieber. Sein Zwillingsbruder war bereits mit 18 Jahren für eine Kochlehre ins Sauerland gezogen, seine Eltern fanden irgendwann im Ruhestand ebenfalls ihren Weg dorthin. So war Carsten ohnehin Dauergast im Sauerland und dann kam irgendwie eins zum anderen.

Und jetzt ist das auch ganz in Ordnung so: Carsten lebt mit Partnerin und Hund in einem wunderschönen Häuschen in Meschede. Er ist schnell in der Stadt zum Einkaufen und Menschen treffen, genauso schnell aber auch mitten in der Natur und für sich ganz allein.

Etwas, das ihm aus seinen Nürnberger Zeiten jedoch fehlt, ist das Angebot an Kultur. Moment mal! Was ist denn mit dem Schützenfest?, fragst du dich jetzt empört. Ja, klar. Das gibt’s, aber ist eben auch nicht für jeden etwas. Und was gibt es sonst noch? In Meschede immerhin noch Kneipen, aber in anderen Orten sind auch die Mangelware. Mit Veranstaltungen, gerade für Menschen zwischen 18 und 40 Jahren, sieht es leider nicht anders aus.

Und genau daran möchte Carsten etwas ändern. Ein Veranstaltungskollektiv wie in Nürnberg kam hier nicht für ihn in Frage. Alleine, ohne ein Netzwerk dahinter und so frisch im Sauerland, traut er es sich noch nicht zu. Dafür hat er eine andere Aufgabe angepackt: Lokalpolitik. Direkt an der Basis etwas bewegen. Das wollte er ohnehin schon immer mal machen und so wurde der Mitgliedsantrag bei den Grünen unterzeichnet. Der erste Posten folgte schnell: Natürlich im Arbeitskreis Kultur als sachkundiger Bürger. Dort hatte er die Möglichkeit, dem Bürgermeister höchstpersönlich seine Fragen zum Thema Kultur zu stellen. Inzwischen ist Carsten Sprecher der Grünen in Meschede und hat dadurch die Möglichkeit, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die in den wichtigen Positionen sitzen.

Doch als hätte er noch nicht genug damit zu tun, stolperte er dann auch noch recht schnell über ein Hochbeet, das in der Stadt aufgestellt war. „Mitgärtner gesucht“ stand da auf einem Schild vom Gemeinschaftsgarten Meschede, der damals gerade dabei war, sich zu gründen. Seitdem gärtnert Carsten neben seinem politischen Engagement auch noch fleißig, versucht auch dort die Menschen zusammenzuhalten und neue für die Gartenarbeit auf den 1.000 Quadratmetern Garten, der von der Stadt zur Verfügung gestellt wird, zu begeistern.

Und dann gibt es auch noch den Mescheder Bürgertreff. Ein Verein, in dem Carsten mit seinen 37 Jahren eines der wenigen jungen Gesichter ist und nun auch dort eine wichtige Position im Vorstand innehat.

Als Mitglied der Grünen hat Carsten es nicht immer leicht. Das Sauerland wird schließlich seit gefühlt immer von der CDU regiert. Dabei wäre es doch auch mal ganz schön, wenn wenigstens zwei Parteien an den wichtigen Entscheidungen beteiligt werden, die sich einigen müssen und vielleicht sind die Kompromisse, die dann dabei herauskommen, viel besser und bringen das Sauerland weiter nach vorne, findet Carsten. Ob diese These stimmt? Auf die Antwort werden wir wohl noch eine ganze Weile darauf warten müssen …

Trotzdem hat Carsten das Gefühl, dass man im Sauerland doch recht schnell an einen Punkt kommt, an dem man wirklich etwas bewegen kann, wenn man konsequent dranbleibt und dahintersteht. Und vielleicht braucht es dafür den Blick von außen als gebürtiger Krefelder und 10-jähriger Nürnberger, um zu sehen, an welchen Ecken im Sauerland noch ein wenig an den Stellschrauben gedreht werden muss und kann – auch, wenn erstmal alles ganz in Ordnung zu sein scheint im Sauerland.

Foto: privat

aLLE bEITRÄGE:

Gemeinschaft schaffen

Manchmal hat man es nicht leicht im Sauerland Anschluss zu finden. Jeder macht irgendwie sein Ding und hat seinen kleinen Kreis, in dem er sich wohlfühlt. Eine Institution, die eigentlich immer für Gemeinschaft stand, ist die Kirche. Nur ist die vielerorts einfach nicht mehr attraktiv, wirkt verschlafen und wenig attraktiv – vor allem für Familien

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Heimat ist Gold wert

In meinen Gesprächen mit Sauerländerinnen und Sauerländern bemerke ich immer wieder, dass darunter viele sind, die etwas Eigenes auf die Beine stellen wollen. Die gerne anpacken und Dinge wagen. Die gerne ausbrechen aus der 9-to-5-am-Schreibtisch-Arbeitswelt. Einer dieser Menschen ist auch Sabrina. Die 33-jährige Freienohlerin hat sich in ihrer Heimat als Goldschmiedin selbstständig gemacht. Der Grundstein

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Von Spätzle über Baklava mit einem Schwenk Kölsch zum Hennesee

Manche Menschen führt es auf verschlungenen Wegen ins Sauerland und das, obwohl es eigentlich nie zur Debatte stand. Aber manchmal kommen die Dinge dann eben doch anders – und meistens sind sie dann auch genau richtig so. Zumindest war Nalan das Landleben nicht ganz unbekannt. Aufgewachsen in einem 2.000 Einwohner-Dorf irgendwo im Schwarzwald und in

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Augen auf bei der Berufswahl​

Irgendwann steht jeder vor ihr, der Frage, was man denn später einmal werden möchte. Eine große Frage, scheint sie doch eine so enorm wichtige im Leben zu sein. Es gibt Menschen, die wissen schon ganz früh, was sie werden möchten. Ärztin oder Lehrer oder was auch immer. Doch die Möglichkeiten sind heutzutage so vielfältig, dass

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Der rote Faden

Jonas ist kein gebürtiger Sauerländer, er ist im Münsterland, genauer in der Kleinstadt Ahlen, großgeworden. Doch viele seiner Erinnerungen aus seiner Kindheit und Jugend sind eng mit dem Sauerland verbunden: Besuche bei den Großeltern, Ski- oder Rodeltage in Winterberg, Klassenfahrten, regelmäßige Ferienlager in der Schützenhalle Siedlinghausen, Ausflüge ins Besucherbergwerk Ramsbeck, Orchesterfahrten an den Sorpesee oder

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Sauerländer Stars Hollow

Ein idyllischer, malerischer Ort, bekannt für seine skurrilen Bewohner, jährlich wiederkehrende Veranstaltungen, die von einem Mix aus Nostalgie, Tradition und exzentrischem Charme geprägt sind. Hier erleben Freunde und Nachbarn zahlreiche Abenteuer, Romanzen und Alltagsdramen. – Diese Sätze beschreiben eigentlich Stars Hollow, eine fiktive Kleinstadt aus der Serie Gilmore Girls. Diese Beschreibung trifft aber wohl auch

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Aus den Bergen in die Berge

Für viele Menschen ist das Sauerland ein Urlaubsziel, die Sauerländer selbst zieht es im Urlaub oft ein ganzes Stück in den Süden: Nach Österreich, genauer: Tirol. Hohe Berge (also richtige Berge!) und tiefe Täler – im Winter Skifahren, im Sommer wandern oder Mountainbiken. Ein absoluter Traum für Naturliebhaber. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Petra

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Glaube, Sitte, Heimat?

Dass im Sauerland die Uhren manchmal noch etwas langsamer ticken und an Strukturen lange gerüttelt werden muss, bis sich etwas ändert, das habe ich schon in vielen Gesprächen mit Rückkehrerinnen und Rückkehrer und Neubürgerinnen und Neubürger herausgehört – und kenne das auch aus eigener Erfahrung. Abschrecken davon, ins Sauerland zurückzugehen, sollte es trotzdem nicht. Im

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Swing it, Sauerland!

Davina ist keine ganz neue Rückkehrerin, sondern schon lange wieder in der Heimat – und hat hier seitdem einiges auf die Beine gestellt. Geboren und aufgewachsen ist sie in Olsberg. Das Gefühl, unbedingt aus dem Sauerland wegzumüssen, einfach nur um weg zu kommen, hatte sie nicht. Es war etwas anderes, das sie ihre Koffer packen

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Raus ins Grüne​

Wenn ich meine Gesprächspartner für diesen Blog frage – sowohl die Rückkehrer als auch die Neuhergezogenen –, was sie besonders am Sauerland lieben, dann ist die Antwort oft dieselbe: Die Natur. Kein Wunder, denn davon hat das Sauerland eine Menge zu bieten und sie ist auch der Grund, wieso die Sauerländer so oft sagen: Wir

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Landleben in Ost und West

Vom Sauerland hatte Susi vorher noch nie gehört, als sie die Stellenausschreibung fand. Leben auf dem Land war für sie hingegen nichts Neues. Denn geboren wurde sie 1993 in Brandenburg zwischen Spreewald und Berlin auf dem platten Land. Dort verbrachte sie ihre Kindheit und Jugend, behütet in gemütlicher Dorfatmosphäre mit gerade mal um die 150

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Auf’n Kaffee

Dirk ist ein echtes Stadtkind – naja, so sehr, wie man im Sauerland eben Stadtkind sein kann. Im Herzen von Schmallenberg aufgewachsen, hatte er eine tolle Kindheit – mit Spielstraße, richtig viel Platz, jede Menge Freiheiten und irgendwo war immer etwas los. Nach der Ausbildung ging es zum Fachabi nach Soest. Es war die erste

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Dritte Orte schaffen

Kunst und kreativ sein? Das ist vielleicht nicht das erste, was mir einfällt, wenn ich ans Sauerland denke. Dass es dort aber durchaus viele Menschen gibt, die Lust auf Kunst und Kunstschaffen haben, das habe ich gemerkt, als ich mich mit Anne und Sandra unterhalten habe. Die zwei brennen für die Kunst und haben gemeinsam

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Nicht eine Sekunde

40 Jahre ist es her, dass Maria im Sauerland das Licht der Welt erblickte. Kindergarten, Grundschule, weiterführende Schule in Meschede. Es war eine Kindheit und Jugend wie sie viele im Sauerland erleben. Doch wie bei so vielen wuchs auch bei Maria der Wunsch, das Sauerland zu verlassen. Das leise Gefühl wurde nach dem Abitur beinahe

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Ruhe, bitte!

Berlin, das e gegen ein o austauschen und die Buchstaben ein wenig mischen, schon heißt es Brilon. Bis auf die gemeinsamen Buchstaben haben diese beiden Städte aber nicht viel gemeinsam. Und das ist auch gut so – zumindest teilweise. Das weiß Sebastian nur zu gut. Groß geworden im 385- Seelendorf Meschede-Heinrichstal, ging es für ihn

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Wurzeln schlagen

Unsere Welt wird immer vernetzter, reisen ist leicht – außerhalb einer Pandemie – und mit dem richtigen Pass kannst du mal hier und mal dort wohnen. Aber fehlt nicht etwas, wenn man niemals Zeit hat, Wurzeln zu schlagen? Wenn es keinen Ort gibt, den man Heimat nennen kann, einen Ort, der ein sicherer Rückzugsort sein

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Die Land(zahn)ärztin​

Nicht nur das Leben auf dem Land ist anders als in der Stadt. Auch das Arbeiten ist es. Das weiß auch Julia. Und dabei geht es nicht, um einen Job in der Landwirtschaft oder in einem Industrieunternehmen, sondern um einen, der in der Stadt genauso gefragt ist, wie auf dem Land. Und trotzdem ist es

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Fachkräftemangel everywhere

Das Wort Fachkräftemangel ist in aller Munde. Nicht nur im Sauerland, sondern in ganz Deutschland – vor allem eben in den ländlichen Regionen. Manche Berufsfelder, die es ohnehin schon nicht leicht haben, haben es dort noch einmal schwerer. Dabei bieten diese Regionen eine Menge an Potential – nur weiß es oft einfach keiner. Zwei, die

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Wie ein Fleckchen Erde Heimat wird

Wenn ich in Köln gefragt werde, wo meine Heimat ist, dann sage ich meistens: Im Sauerland. Aber damit meine ich eigentlich nicht Arnsberg, den Ort, an dem ich bis zum Abitur gelebt habe, sondern Berlar. Seit fast 20 Jahren kenne ich das kleine Dorf oberhalb von Ramsbeck, in dem mehr Pferde und Kühe als Menschen

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Der richtige Zeitpunkt

Wann ist er da, der richtige Zeitpunkt, um wieder zurück in die Heimat zu gehen? Will man nur kurz fürs Studium weg und dann so schnell wie möglich wieder zurück in die Comfort Zone? Will man richtig raus in die große, weite Welt, neue Kulturen entdecken, fremde Düfte erschnuppern, andere Sprachen hören. Werden es am

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Sauerland loading …

Wie wir wohl alle wissen, rangiert Deutschland, was die Digitalisierung angeht, im europäischen Vergleich nicht gerade auf den vordersten Plätzen. Das bekommt man auch im Sauerland zu spüren: Nicht nur die mobile Netzabdeckung sorgt immer wieder für den Impuls, sein Smartphone einfach von sich zu schmeißen, weil es ohnehin an manchen Orten nahezu unbrauchbar ist,

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#Bäuerinnenlife

Hühner füttern, Kühe melken, Stall ausmisten, Zäune bauen und Trecker fahren. Wahrscheinlich hast du jetzt einen mittelalten Mann in grüner Latzhose, kariertem Hemd und gelben Gummistiefeln vor Augen? Das typische Sauerländer Bauer-Klischee eben, das sich hartnäckig in den Köpfen vieler Menschen hält. Und ja, vielleicht stimmt es auch hier und da. Aber es geht eben

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Ihr Kinderlein kommet

Ich gebe zu: Ich selbst habe mit der Kirche nicht mehr viel am Hut – und vieles, was in den letzten Jahren geschehen ist, bestärkt mich darin, dass ich das auch nicht mehr ändern möchte. Dass es aber anderen anders geht, ist mir bewusst und das ist ja auch völlig in Ordnung. Vielleicht ist es

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Grüße aus Norwegen

Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass jemand das Sauerländer Graubrot vermisst? Spürst du in diesem Moment vielleicht auch, wie sehr es dir fehlt, und überlegst deswegen wieder zurück in die Heimat zu gehen? Oder was ist es bei dir, diese Kleinigkeit, die dir direkt in den Sinn kommt und das Herz ein wenig schwer

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Heimspiel

Auf dem Land kennt jeder jeden. Man grüßt sich, wenn man sich auf der Straße trifft. Jeder weiß, welchen neuen Freund Stratmanns Anna jetzt schon wieder angeschleppt hat. Die älteren Leute sagen zu dir: „Ach, ich weiß noch, als du mir noch bis zur Kniekehle gereicht hast. Mensch, was warst du damals süß.“ Das kann

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Gülle vs. Kölle

„Land, Landesteil oder Ort, in dem man [geboren und] aufgewachsen ist oder sich durch ständigen Aufenthalt zu Hause fühlt (oft als gefühlsbetonter Ausdruck enger Verbundenheit gegenüber einer bestimmten Gegend)“, sagt der Online-Duden, wenn ich den Begriff „Heimat“ in das Suchfeld eingebe.

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